2019 wurde Citroën 100 Jahre alt – für viele Fans ein Grund zum Feiern, in vielen Ländern Europas wurden Treffen und Veranstaltungen unter dieses Motto gestellt. Aber auch der Konzern ließ sich nicht lumpen und organisierte die eine, große, zentrale Jubiläumsveranstaltung in Frankreich. Julius Goldmann war dort und berichtet, die Photos steuerte Oliver Weiss bei.
Le centenaire Citroën à la Ferté Vidame
Zum Hundertjährigen Bestehen des Gruppenmitglieds hatte PSA unter aufwändigen Vorbereitungen seine Anhänger zu einer Feierlichkeit auf seinem Testgelände rund um das abgelegene Dorf und das Château La Ferté Vidame geladen. Bereits in der Anmeldephase zeichnete sich ab, dass der Besucheransturm die Infrastruktur dort an seine Belastungsgrenze bringen könnte und die französischen Behörden begrenzten schon einige Monate im Voraus die Anmeldungen.
Als Teilnehmer des großen Events wurde uns mehr als deutlich, dass unsere Szene der Liebhaber historischer Citroën keineswegs eine kleine Ansammlung von Spezialisten ist, sondern ein riesengroße Gemeinschaft, die – in diesem einzigartigen Event auf einem Platz vereint – gigantische Ausmaße hat. Eine beeindruckende Masse, die vielleicht auch den CEOs und dem zugehörigen Stab vor Augen geführt hat, welche Massen hinter den Sammlern und Restaurateuren als Marktpotenzial für die Marke stecken!
Unsere Anreise im CX Break am Freitag gestaltete sich als problemlos. Die Vermutung, man würde auf der Autobahn schon einige historische Citroën sehen, bestätigte sich nicht. Dafür war die letzte Etappe gegen elf Uhr abends über die weiten Getreidefelder und Wälder des Arrondissement Dreux ein einmaliges Erlebnis. Verwunschene Dörfer und Weiler säumten den Weg. In La Ferté Vidame angekommen fühlte man sich in die Szenerie von Jacques Tatis Schützenfest versetzt. Bunte Wimpelchen und Lichterketten schmückten die Gebäude im Stil des Empire français, handgemalte Jubiläumsschilder mit einer großen 100 zeugten vom Anlass des Fests. Die Hecken und Trockenmauern waren im Dunkeln gesäumt mit Fahrzeugen der Marke, viele mit laufendem Motor und sattgelben Scheinwerfern, die langsam suchend herumrollten. Man hatte den Eindruck eine Zeitreise unternehmen zu können und im CX als dem modernsten Gefährt des großen Tanzes von außen nur zu beobachten.
Die Aufgabe bestand nun in dieser unwirklichen Szene darin, den Parkplatz C2 ausfindig zu machen, der laut der letzten Mitteilung der Veranstalter der einzige Zugang zu den Campingplätzen für die „collectionneurs“ war. Nach mehreren Irrrunden durch das Dorf gemeinsam mit anderen Gästen entschlossen wir uns, auf den ausgewiesenen Campingplatz zu fahren, der an der Einfahrt als „complet“ ausgezeichnet war, denn ein freundlicher Aufseher winkte trotzdem jeden Herannahenden fröhlich herein. Es stellte sich heraus, dass der Platz längst komplett complet war, und zwar in der Form, dass weiter hinten geparkte Fahrzeuge auch keine Möglichkeit mehr hatten, den Platz ohne aufwändiges Rangieren der anderen Fahrzeuge wieder zu verlassen. Mittlerweile war es fast Mitternacht und nach 8 Stunden Fahrt entschlossen wir uns auf dem Bereich vor den Toiletten zu parken und zu übernachten, obwohl dieser Bereich von extra installierten LED-Lampen hell erleuchtet war. Dem Schlaf tat das keinen Abbruch, auch war die internationale Citroën-Gemeinde derart diszipliniert dass nach ein Uhr nachts das bienenschwarmähnliche Summen der unzähligen Gespräche zuverlässig verstummte. Geschafft!
Der Samstagmorgen lockte mit Sonne seine Festgäste aus dem Nachtlager. Die Warteschlangen vor Toiletten und Duschen waren nicht wie befürchtet endlos, nein – man konnte in der Sonne vor den installierten Duschwägen warten und alsdann auch das frische Nass genießen. Der Tag sollte einige Treffen mit Bekannten aus aller Welt beinhalten, schließlich ist es eine seltene Gelegenheit endlich einmal alle zeitgleich am selben Ort versammelt zu sehen! Den Weg Richtung Treffengelände rund um die Schlossruine traten wir zu Fuß an. Hinter dem Wäldchen des Campingplatzes bot sich uns ein außergewöhnliches Bild. Citroën an Citroën wie an einer Perlschnur aufgereiht bis zum Horizont. Stillstand, der davon zeugte wie viele wir eigentlich sind! Die Wartenden nahmen es mit Humor und nutzten die Standzeit für erste Benzingespräche. Für uns Fußgänger war bereits jedes Auto ein kleines Highlight und die Augen wurden immer größer. In den Schlosspark eingebogen reihten sich die 2CV in zwei Reihen längs der historischen Alleen auf. Ein farbenfroher Reigen, der sprachlos machte und als Übersprungshandlung bei den meisten Passanten dazu führte permanent auf den Auslöser zu drücken, um diesen ersten Eindruck festzuhalten. Spätestes jetzt gaben wir es auf, jedes Fahrzeug einzeln zu betrachten, zu immens war doch die Fülle und die Vielfalt unter nur einer Modellreihe. Schnell wurde klar, dass diese Szene sich hinter den Teichen, die das Schlossgelände umgeben, multiplizierte und ein Tag nicht ausreichen würde, um all die Fahrzeuge, die sich wohlgemerkt noch außerhalb des Treffengeländes in Reih und Glied organisiert hatten, zu sehen.
Im Sog der Besuchermassen wurden wir in Richtung eines kleinen Gittertores bugsiert, das von zwei Kontrolleurinnen flankiert wurde. Vorne angekommen wurde schnell und unbürokratisch unsere Anmeldung gegengezeichnet und unsere Arme mit Bändchen bereift und wir liefen die nächste, noch längere alleengesäumte Sichtachse auf die Schlossruine zu durch schier unendliche Reihen Traction Avant – sicherlich mehr als eine Monatsproduktion in Javel! Dahinter tauchten dann in der Nähe der Festzelte, die vor dem Schloss aufgebaut waren, noch der gefühlte weltweite Gesamtbestand der Vorkriegsmodelle auf, der in seiner Masse ebenso überwältigend war. Auf der großen Bühne und den Übertragungsleinwänden hoben die Verantwortlichen von PSA zu ihren Reden an, die aber im Grundrauschen der Besuchermassen nur schwer zu verstehen waren. Trotz der immensen Personenzahl lief alles gemächlich und heiter, für Essen und Getränke war ebenfalls gesorgt und der „Run“ auf die verschiedenen Varianten der Trinkbecher mit aufgedruckten Citroën-Modellen begann.
Ein weiterer Bereich in der Nähe des Schlosses war für die Kinderbetreuung reserviert und hinter einem weißen Eiffelturm hatte man den offiziellen PSA-Stand installiert, sehr elegant mit Terrasse auf einen der Teiche hinaus. Zwei Studien waren zu sehen und die Modellpalette aus dem Conservatoire. Auch der CX der Rallye Sénégal war dort zu bewundern.
Das beeindruckende Massenauftreten typensortierter Fahrzeuge setzten sich hinter dem Schloss fort. Nach unzähligen SM im Bestzustand fand sich auch eine nicht zu vernachlässigende Menge an CX. Im Vergleich zu den Mengen an DS oder SM jedoch weit weniger zahlreich. Die Modellpalette war komplett vertreten, Breaks machten sich allerdings rar. Sie wurden vertreten durch einige Dreiachser, von denen ein Exemplar die Reise von Russland aus auf sich genommen hatte.
Zwischenzeitlich war das Handynetz an Überlast völlig zusammengebrochen und niemand war mehr in der Lage seine Bekannten aus aller Welt in der anonymen Masse ohne Kommunikationshilfsmittel ausfindig zu machen. So blieb das gemächliche Schlendern an den verschiedenen Ständen vorbei oder das Beobachten der Flugkunstschau – einem spektakulären Flug, der „Citroën“ in die Luft geschrieben hatte, kurzum es gab an wirklich jeder Ecke etwas Neues zu entdecken.
Schnell rückte der Abend heran und wer ein Dinner gebucht hatte verschwand im eigens dafür aufgebauten Festzelt. Später am Abend wartete man auf das Festfeuerwerk, das pyrotechnisch einiges zu bieten hatte. Zwanzig Minuten lang wurde Citroëns runder Geburtstag so begangen und musikalisch untermalt. Ein beeindruckendes Spektakel vor großartiger Kulisse.
Auf dem anschließend angetretenen Weg in Richtung Nachtlager entlang der Alleen und der abnehmenden Zahl an Autos wurde uns bewusst, dass wir teilhaben konnten an einem vermutlich einmaligen Anblick und Ereignis, das sich wohl so nicht mehr wiederholen wird. Juste extraordinaire!
En avant Citroën!
Quellennachweis Artikelbilder: Oliver Weiss